Es ist heute nicht möglich, eine seriöse Sicht auf die Auswirkungen jener Maßnahmen anzustellen, die aus gesundheitlichen Gründen notwendig waren und wahrscheinlich auch für weitere Monate (oder Jahre) erforderlich sein werden. Sehr wahrscheinlich ist aber, dass für eine lange Zeit nichts so sein wird, wie es war. Das Leben wird sich für eine Mehrheit der Menschen merkbar ändern und der jahrzehntelange Wohlstand, verbunden mit der Perspektive auf positive Wachstumsraten und Einkommenszuwächse für fast alle Beschäftigten wird nur noch Erinnerung sein.

Anzunehmen ist, dass von den heute mehr als 500.000 Arbeitslosen und 1,300.000 Kurzarbeitern in einigen Monaten wahrscheinlich mehr als 1,000.000 Menschen keine (geregelte) Arbeit haben werden. Dies aus mehreren Gründen: Voraussichtlich werden viele Unternehmen die Krise – trotz aller Hilfsmaßnahmen – nicht überstehen und insolvent werden, auch weil ein vielfach zu geringes Eigenkapital die Dauer einer Rezession nicht bewältigen wird. Viele werden mit Investitionen zurückhaltend agieren und ihre Produktivität – zu Lasten der Mitarbeiter – zu steigern versuchen. Begünstigt werden solche Maßnahmen durch den weiterhin starken Trend zur Digitalisierung, der in den letzten Monaten sowohl in den Schulen wie am Arbeitsplatz in Form von E-Learning, Homeoffice und Videokonferenzen einer zwangsweisen praktischen Übung weitgehend erfolgreich unterstützt wurde.

Die Einkommens-und Vermögensschere geht bedrohlich immer weiter auf. Wenn die Verantwortlichen in der Politik ein solches Szenario auch nur für möglich halten, müsste zeitnah ein Umdenken einsetzen und sozialpolitische Maßnahmenbündel zumindest angedacht und dabei keine Tabuthemen ausgeschlossen werden.

Eine Million Arbeitslose bedeutet, dass zumindest ein Drittel der österreichischen Bevölkerung in Armut oder knapp an deren Grenze fällt und auch keine Perspektive sieht. Ein solcher Zustand bedeutet die Spaltung der Gesellschaft, verbunden mit der Gefahr von Unruhen und fruchtbaren Boden für extreme Ideologien.

Da jede Generation und auch der Mittelstand vom Abstieg betroffen ist und eine „koste es, was es wolle“-Politik eine endliche Ausgaben-und Verschuldungsgrenze hat, kann nur ein umfassendes Gesamtkonzept mit nationalem Schulterschluss aller demokratischen Kräfte für soziale Verteilungsgerechtigkeit sorgen und der Gesellschaft wenigstens das Gefühl von Solidarität vermitteln.

Ein als sozial gerechtes Handeln in einer so schweren Wirtschaftskrise wird ohne Opfer des nicht oder nicht so sehr betroffenen Teils der Gesellschaft nicht möglich sein. Ein wirksames Konzept darf daher von vornherein keine Idee, keine geeigneten Vorschläge und keine möglichen Maßnahmen ausschließen. Ausschlaggebend kann nur allein der Koste-Nutzeneffekt, die Sinnhaftigkeit und die Wirksamkeit der möglichen Maßnahme sein.

Unaufgeregt und ideologiefrei muß über ein (lebensnotwendiges) Grundeinkommen (auch nicht notwendigerweise bedingungslos), über eine Solidarabgabe, über Transfer,-Spekulations,-Vermögens-und Erbschaftssteuern, über Zwangsanleihen, über Arbeitszeitverteilung (z.B. Verkürzung bis auf eine 30 Stundenwoche – etwa auch verbunden mit Lohn/Gehaltsverzicht). Bei allen Maßnahmen wird auf Unter-und Höchstgrenzen und Verhältnismäßigkeiten (etwa eine deutliche Relation zwischen Mindesterwerbseinkommen und Grundeinkommen/Mindestsicherung) abzustellen sein.

Unbedingte Begleitmechanismen muß das Gesamtkonzept in Form wirksamer(scharfen) Kontrollen beinhalten, weil Missbrauch bei allen steuer,-arbeits-und sozialrechtlichen Maßnahmen nicht auszuschließen sind. Kontrollkosten rechnen sich ideell immer und materiell sehr oft mehrfach.

Konjunkturpakete zur Wirtschaftsankurbelung sind in Krisenzeiten, wegen der mangelnden Nachfrage nur dann sinnvoll, wenn damit zukunftssichere Investitionen in Digitalisierung, Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz getätigt werden.

Ein von der Krise nicht selbst Betroffener

Kurt Oktabetz